Essstörungen sind ernst zu nehmende psychosomatische Erkrankungen, die durch schwere Störungen des Essverhaltens gekennzeichnet sind. Magersucht und Bulimie gehören zu den häufigsten chronischen Krankheiten im Kindes- und Jugendalter. Unbehandelt können folgenschwere gesundheitliche Probleme auftreten.
Essstörungen haben nie nur eine Ursache sondern sind multifaktoriell bedingt. Sie entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Aus diesem Grund sollten weder Betroffene noch Angehörige oder Partner sich fragen, ob sie Schuld an der Entstehung der Essstörung haben. Denn die Beschäftigung mit der Schuldfrage hilft im Heilungsprozess nicht weiter. Manche Faktoren können nicht beeinflusst, oder zumindest heute nicht mehr verändert werden. Die Suche nach den Ursachen ist dennoch notwendig für die Therapie des Betroffenen, um die Entstehung der Erkrankung zu verstehen und um beeinflussbare Faktoren positiv zu verändern.
Wenn man selbst bemerkt, dass Essen und Gewicht zum Stimmungsbarometer geworden sind, das symptomatische Verhalten nicht einfach abgestellt werden kann und ein selbstbestimmtes Leben nicht mehr möglich ist, wird den meisten Betroffenen klar, dass es so nicht weitergehen kann. Dennoch ist bei vielen die Unsicherheit groß, was jetzt zu tun ist.
Viele Menschen mit Essstörungen haben die Hoffnung ihre Essprobleme alleine in den Griff zu bekommen. Hinter einem Essproblem stehen jedoch meist seelische Ursachen, die psychotherapeutisch behandelt werden sollten. Falls dies nicht geschieht, ist die Gefahr groß, dass die Essstörung chronifiziert wird oder nach symptomfreien Phasen zurückkehrt.
Nur die Betroffenen selbst können entscheiden, ob sie die Essstörung aufgeben möchten oder nicht. Diese Entscheidung ist die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie.
In einer für die personzentrierte Therapie von Anorexia nervosa wichtigen Untersuchung kam man unter anderem zu folgendem Ergebnis: die Teilnehmerinnen an der Untersuchung weisen, hinsichtlich der subjektiv erlebten Wirkfaktoren, den Variablen wie Empathie und bedingungslose Wertschätzung, die als Wirkfaktoren der personzentrierten Psychotherapie beschreiben werden, hohen Stellenwert zu. Von mindestens der Hälfte wurden jene Variablen als bedeutsam für die eigene Genesung gekennzeichnet, die sich darauf beziehen, dass sie in der Therapie lernen konnten, sich in ihren Bedürfnissen und Gefühlen besser zu verstehen (Zum Beispiel: Der Therapeut hat mir genau zugehört. Der Therapeut hat mich und meine Gedanken und Gefühle ernst genommen und respektiert. Ich konnte in der Therapie bestimmen, worüber ich sprechen wollte. Die Zuwendung des Therapeuten war nicht an Bedingungen geknüpft).
Hinsichtlich der Wirkfaktoren zeigen die Ergebnisse überdeutlich, was Patienten mit der Krankheit Anorexia nervosa brauchen: Achtung, Anerkennung, Akzeptanz als eine Person, die ihre eigenen Entscheidungen fällen kann und muss.
Da es sich bei Essstörungen um Erkrankungen mit körperlichen Folgen handelt, ist eine ärztliche Begleitung durch einen Internisten oder Hausarzt fast immer notwendig. Hier wird zunächst eine medizinische Diagnostik durchgeführt und die möglichen medizinischen Komplikationen einer Essstörung werden beobachtet und behandelt. Konkret bedeutet das unter anderem die regelmäßige Gewichtskontrolle, Überprüfung der Laborwerte, der Herz- und Nierenfunktion, etc.
Essstörungen werden als psychosomatische Störungen des Essverhaltens bezeichnet.
Im Vordergrund der Magersucht steht vor allem ein sehr gezügeltes Essverhalten, bzw. ein extremer Verlust an Körpergewicht (BMI unter 17,5), wobei dieses in Extremfällen bis zu 50% unter dem Idealgewicht liegen kann. Dies wird durch Fasten und Meiden von hochkalorischen Nahrungsmitteln erreicht. Auffällig ist, dass fast alle Magersüchtigen zu Beginn sehr ruhelos sind und einen gesteigerten Bewegungsdrang verspüren. Exzessive sportliche Aktivitäten sind daher ein Mittel um einerseits diesen Drang zu befriedigen und andererseits eine Kontrolle des Körpergewichts zu erreichen.
Neben psychischen Auswirkungen der Krankheit (Depressionen, Schlafstörungen, Isolation) kommt es zu körperlichen Folgen wie z. B. Sinken der Körpertemperatur um 1 - 2°C, Abfall des Blutdrucks, Frieren, Müdigkeit sowie zum Sinken des Östrogenspiegels und dadurch zur Entkalkung der Knochen (Osteoporose) als auch zum Ausbleiben der Menstruation (mindestens drei aufeinander folgende Zyklen).
Erfolgt keine Behandlung, kann die Anorexia nervosa zu einem chronischen Leiden werden und unter Umständen, meist durch Herzversagen oder Suizid, tödlich enden.
Kennzeichnend für die Bulimia nervosa ist ein regelmäßiger Wechsel zwischen Hungerperioden und Fressanfällen, bei denen große Mengen an Nahrung (im Extremfall 10.000 kcal) in relativ kurzer Zeit (15 Minuten bis 4 Stunden) verschlungen werden. Um eine anschließende Gewichtszunahme zu verhindern, kommt es zu selbst herbeigeführtem Erbrechen, Fastenkuren, übermäßiger körperlicher Aktivität oder der Einnahme von Abführmitteln.
Abhängig vom Schweregrad der Erkrankung kann es zu Herzrhythmusstörungen, Kreislaufproblemen, Zahnschmelzschäden (durch das häufige Erbrechen) oder Elektrolytentgleisung kommen.
Die Bezeichnung Orthorexia nervosa kommt aus dem Griechischen, wobei „ortho" für „richtig" und „orexis" für „Appetit" steht.
Diese Essstörung wurde vom Mediziner Dr. Steve Bratman definiert und ist die jüngste unter den bisher bekannten psychogenen Essstörungen. Laut Definition haben die Betroffenen den Zwang sich gesund zu ernähren. Es besteht eine große Furcht vor Chemikalien, Fett und Zusatzstoffen, sodass Orthorektiker ihre Lebensmittelauswahl stark einschränken und zwanghaft nur „sichere" Nahrungsmittel verzehren.
Im Gegensatz zu Anorexia und Bulimia nervosa steht hier statt der Quantität eher die Qualität einer Speise im Vordergrund!
Zu gesundheitlichen Schäden führt diese Essstörung im Normalfall nicht, jedoch ist das Verhalten als Zwang und somit als kritisch zu bewerten.
Binge eating disorder (BED) leitet sich aus dem Englischen von „Binge" ab, was soviel wie „Essgelage" bedeutet.
Diese Essstörung ist der Bulemia nervosa sehr ähnlich, da es auch hier zu regelmäßigen Fressanfällen kommt, jedoch fehlt das Kompensationsverhalten. Daher wird die BED meist mit Übergewicht oder Adipositas in Verbindung gebracht (aber nicht jeder Mensch mit Adipositas leidet an BED!)
Von BED spricht man, wenn es über 6 Monate hinweg mindestens 2 Mal pro Woche zu Essanfällen kommt, wobei vom Betroffenen die Kontrolle über die aufgenommene Menge an Nahrung verloren geht.
Typisch für diese Essstörung ist, dass Nahrung aufgenommen wird, ohne ein körperliches Hungergefühl zu verspüren und meist so lange gegessen wird, bis es zu einem belastenden Völlegefühl kommt.
Adipositas, auch Fettleibigkeit oder Fettsucht, bezeichnet die Erkrankung von Personen, die einen BMI über 30 aufweisen.
Durch Fettleibigkeit, besonders aber durch Fettansammlung im Bauchbereich, wird das Risiko für Krankheiten, das Herz-Kreislauf-System oder den Stoffwechsel betreffend, stark erhöht. Außerdem wird die Entstehung von Gallensteinen, Gelenkserkrankungen, bestimmten Krebsarten oder Schlafstörungen durch Adipositas begünstigt.